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KonkursBuch Stubnitz Kunst - Raum - Schiff

Der Bürgschaftsfall Stubnitz

von Armin Medosch

Im Juni 1991 setzten sich Künstler aus Österreich, Deutschland und der Schweiz das Ziel, das Motorschiff STUBNITZ, einen Fang- und Frosttrawler der ehemaligen DDR Hochseefischfangflotte, in das Kunst-Raum-Schiff STUBNITZ zu verwandeln. Die Idee war, die Stubnitz in ein mobiles Veranstaltungs- und Produktionszentrum aus- und umzubauen. Inhaltliche Schwerpunkte bildeten dabei interdisziplinäre Kunstformen, Medienkunst, Performance, Live-Events, Musik und Design. Das Schiff sollte von Hafenstadt zu Hafenstadt reisen und kulturelle Kontexte und Szenen miteinander verbinden. Diese Funktion als Plattform für kulturellen Austausch sollte durch die Nutzung elektronischer Kommunikationsnetze und digitaler Postproduktion noch unterstrichen werden.

Das MS Stubnitz, Baujahr 1963, 80 Meter lang und damals 2600 Bruttoregistertonnen schwer, bot sich als ideales Vehikel für diese Idee an. Die Stubnitz sollte nach der Wiedervereinigung verschrottet werden. Als offizielle Begründung wurden die EU-Quotenregelungen für Fischfang genannt. Unter der Bedingung, dass die Stubnitz nicht mehr dem Fischfang dienen sollte, konnten die Initiatoren das Schiff zum Schrottpreis erwerben.

Mit dem Kauf des Schiffes begann ein Wettlauf mit der Zeit um seinen Erhalt und zugleich ein Kampf mit den Elementen. Die "Elemente" waren in diesem Fall nicht die See und die Stürme, sondern die Institutionen der Gesellschaft, die Rechtslage, die unweigerlich auftretende Finanzierungsfrage und die verschiedensten "Sachzwänge".

Kurz nach dem Kauf des Schiffes im Sommer 1992 zog ein Kern der Initiatorengruppe nach Rostock und begann, auf dem Schiff zu leben und zu arbeiten. Es gelang, einen Kapitän und eine kleine Zahl an technischen Schiffsoffizieren anzuheuern, um das Schiff technisch intakt zu halten. Die kulturelle Betreibergruppe erarbeitete Nutzungskonzepte und begann lokal, regional, in den Herkunftsländern der Betreiber und auf europäischer Ebene nach finanzieller Unterstützung zu suchen. Zum Jahreswechsel 1992/93 wurde die Stubnitz mit einer einwöchigen Veranstaltungsreihe inoffiziell eingeweiht. Das Kultusministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern bewilligte eine erste Fördermaßnahme aus dem Infrastrukturförderfonds, den das Bundesinnenministerium für die 'Neuen Länder' bereitgestellt hatte.

Im April 1993 erfolgte die offizielle Einweihung durch den damaligen Staatssekretär im Kultusministerium, Dr. Thomas De Maizière, sowie unter Anwesenheit der österreichischen Kulturkonsulin in Berlin, Dr. Barbara Wicha. Während des gesamten Jahres 1993 wurde ein intensives, international ausgerichtetes Veranstaltungsprogramm auf dem Schiff in Rostock durchgeführt, wodurch es sich als lokaler und regionaler Faktor im Kulturleben etablierte.

Im Frühjahr 1994 sollte die Stubnitz zur ersten internationalen Tournee aufbrechen. Doch plötzlich klaffte eine Lücke im Finanzierungskonzept. Eine bereits in Aussicht gestellte Förderung für die Fahrtmannschaft über eine ABM wurde nicht bewilligt. Die gesamte Finanzierung drohte zusammenzubrechen. In dieser Situation wandte sich die Stubnitz-Besatzung an ihren wichtigsten Förderer, De Maizière. Der Staatssekretär versprach, uns aus der dringenden Finanznot zu helfen. Als Lösungsmöglichkeit wurde ein sogenannter Landesbürgschaftskredit in Aussicht gestellt. Da das Kultusministerium dafür nicht zuständig ist, versprach De Maizière, Kontakt zum Wirtschaftsministerium herzustellen.

Unter intensiver Beteiligung des Wirtschaftsministeriums wurde der Bürgschaftskredit in Windeseile durchgeboxt. Die Deutsche Bank würde einen Kredit in Höhe von 550.000 DM auszahlen. Diese Mittel waren für letzte notwendige technische und bauliche Maßnahmen vorgesehen, um auf die lange vorbereitete Baltic Tour 1994 gehen zu können. Das Land MVP würde für 4/5 dieser Summe bürgen, falls die Stubnitz-Trägergesellschaften später nicht in der Lage sein sollten, den Kredit zurückzuzahlen. Das Land verwies in einer Hochglanzbroschüre stolz auf die Stubnitz als ein "Leuchtfeuer" seiner Kulturpolitik und De Maizière schrieb einen Unterstützerbrief, in dem er die Stubnitz als "Kulturbotschafterin des Landes" bezeichnete.

24 Stunden vor der Unterzeichnung des Bürgschaftskredits wurden die Stubnitz-Initiatoren darauf aufmerksam gemacht, dass das Land wünsche, dass jeder der vier Gesellschafter der Stubnitz Gmbh auch privat mit jeweils 100.000 DM mitbürgt. Es wurde der Eindruck erweckt, dass es sich dabei um eine reine Formalie handle, den Statuten entsprechend, unter denen eine Landesbürgschaft geleistet werden kann. Die Stubnitz-Initiatoren wiesen die Bank darauf hin, dass sie mittellos waren und dass es unwahrscheinlich sei, dass sich das ändern würde. Die Bankangestellten ignorierten diesen Hinweis und schoben ihnen die Bürgschaftsurkunden zu. Also unterzeichneten die vier Gesellschafter, Urs Blaser, Christian Jost, Rene Römert und ich, die Papiere für den Bürgschaftskredit.

Mit der frischen Cash-Injektion konnten die Umbauarbeiten an der Stubnitz zügig abgeschlossen werden und die Baltic Tour 1994 begann. Den Höhepunkt bildete bereits das erste Reiseziel, St.Petersburg. Noch nie zuvor hatte es, so kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, ein derartig umfangreiches, unabhängig organisiertes Kulturaustauschprogramm zwischen Deutschland und Russland gegeben, mit dem Schwerpunkt auf Musik, Performance und Medienkunst. In intensiver Zusammenarbeit mit der Petersburger Kunst- und Kulturszene wurde ein Programm erarbeitet, das nicht nur das Schiff selbst umfasste, sondern zahlreiche Galerien und andere Räume in der ganzen Stadt. Mehrere Tausend Menschen nahmen am Stubnitz-Festival Ende Juli 1994 in St. Petersburg teil. Im Anschluss daran fuhr die Stubnitz weiter nach Malmö und Hamburg, wo das auf dem Schiff veranstaltete Programm ebenfalls begeisterte Aufnahme fand.

Als sich jedoch die Baltic Tour 1994 in Hamburg Ende September 1994 ihrem Ende zuging, wurde es klar, dass sich die Hoffnungen auf Sponsoring-Verträge oder neue Förderungen nicht erfüllen würden. Der Konkurs der Trägergesellschaften - Stubnitz GmbH und Stubnitz Verein - wurde unabwendbar. Das Schiff kehrte nach Rostock zurück und das sogenannte Vollstreckungsverfahren wurde eingeleitet.

Als Konsequenz des Bankrotts der Trägergesellschaften konnte der Kredit nicht an die Bank zurückgezahlt werden. Das Land musste entsprechend der im Rahmen des Bürgschaftskredits geleisteten Zusage einspringen. Nun sollte sich aber zeigen, dass es sich bei den Unterschriften der Gesellschafter keineswegs um eine Formalie gehandelt hatte. Ab 1995 begann das Land Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch die Deutsche Bank, mit Versuchen, von den Unterzeichnern jeweils 100.000 DM einzutreiben.

Gegen Blaser und Römert erlangte das Land frühzeitig einen sogenannten Titel, dessen Vollstreckung aber vorerst lange Zeit nicht betrieben wurde, da man den Ausgang meines Falls abwarten wollte. Ich hatte frühzeitig beschlossen, den Rechtsweg auszuschöpfen, da ich mich im recht sah. 1997 hatte mich die Deutsche Bank, stellvertretend für das Land MV, vor dem Landgericht München verklagt. Der Fall wurde suspendiert und das Gericht forderte die Parteien auf einen Vergleich zu suchen. Trotz intensiver Bemühungen meinerseits, gelang es nicht, zu einer Einigung zu kommen. Im Sommer 1999 fuhr ich nach Schwerin, der Hauptstadt MVs, und sprach mit dem Regierungsdirektor im Finanzministerium, Hinrich Degering. Eine Lösung schien in Aussicht, derzufolge ich einen relativ geringen Betrag bezahlen und darüberhinaus ein Expose für eine Fernsehdokumentation schreiben würde. Nach der Abgabe des Exposes hörte ich lange Zeit nichts aus MV.

Ab 2002 begann das die Bank/das Land MV, den Fall vor Gericht weiter zu betreiben, ohne auf mein Angebot jeh einzugehen. Das Landgericht München entschied gegen mich, ohne eine Zeugeneinvernahme der Mühe wert zu finden. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich noch für das Online Medium Telepolis des Heise-Verlags und verfügte über ein normales Einkommen, doch 2002 wurde mein Vertrag beendet. Seither arbeite ich als freier Autor und Medienkünstler, sowie als Lektor an einer Kunsthochschule in London. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ging ich in Berufung. Mein Einkommen wurde als gering genug erachtet, um Prozesskostenhilfe zu erhalten. Doch auch das Oberlandesgericht München entschied gegen mich und im Sinne der Bank und des Finanzministeriums MV. Ich versuchte, eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde am Bundesgerichtshof zu erlangen und beantragte erneut Prozesskostenhilfe. Doch dieser Antrag wurde im Juli 2006 mangels Erfolgsaussicht und ohne weitere Begründung abgelehnt.

Inzwischen hat das Land jedoch mit Blaser und Röert einen Vergleich ausgehandelt, demzufolge die beiden jeweils 15.000 Euro an Spenden an die neue Trägergesellschaft des MS Stubnitz aufbringen und darüberhinaus die Prozesskosten bezahlen. Blaser und Röert wurden von Rechtsanwalt Gunter Degreif, Hamburg, vertreten. Ich versuchte mich, dem selben Vergleich anzuschliessen und wurde, bzw. werde vom selben Anwalt vetreten, doch das Finanzministerium wollte mir den selben Deal nicht zugestehen, aus Gründen, die für mich nicht einsichtig sind. Die ursprüngliche Bürgschaftssumme von DM 100.000 ist wegen der Zinsen inzwischen auf ca. 100.000 Euro angewachsen. 100.000 Euro besitze ich nicht und es ist ausgesprochen unwahrscheinlich, dass ich so viel Geld jemals besitzen werde. Meine weiteren Angebote, einen Vergleich zu finden, wurden seitens des Landes weitgehend ignoriert. Auch RA Degreif, der mich inzwischen wieder vertritt, gelingt es laut eigener Auskunft derzeit nicht, eine kompetente Anspruchsperson zu finden. MV befindet sich nälich im Wahlkampf! Die Vorgehensweise des Landes widerspricht jedem natürlichen Gerechtigkeitsempfinden. Die Regierung Mecklenburg-Vorpommern hat die 400.000 DM für den Bürgschaftskredit gut angelegt. Die Gelder wurden widmungsgemäß investiert und sicherten den Erhalt der Stubnitz als mobiler Kulturstätte. Mit einem neuen Verein als Trägergesellschaft dient die Stubnitz weiterhin als unkonventioneller und vielseitiger Veranstaltungsort in Rostock. Seit 1998 hat das Kulturschiff Stubnitz eine Reihe von Tourneen als "Kulturbotschafterin" absolviert -- u.a. nach Stockholm (1998), Rotterdam (2001), Amsterdam und Brügge (2002), Hamburg und Stettin (2003), Newcastle (2005) und erneut Hamburg (2006), um nur einige Beispiele zu nennen.

Die sehr erfolgreiche Präsenz der Stubnitz bei einem vom Land Mecklenburg-Vorpommern mit Fördergeldern unterstützen Aufenthalt in Stettin im Jahr 2003 wurde in einer Pressemeldung des Ministerpräsidenten Dr. Harald Ringstorff vom 3. September 2003 enthusiastisch begrüßt. Der selbe Herr Ringstorff, der sich bei offiziellen Anlässen mit dem Schiff schmückt, ist scheinbar der Ansicht, dass ich vollumfänglich für die Bürgschaft aufkommen soll. Ich bin jedoch nach wie vor nicht dieser Ansicht. Ich habe jahrelang unbezahlt und mit höchstem idealistischen Einsatz, von künstlerischen und nicht von kommerziellen Motivationen angetrieben, an diesem Projekt gearbeitet. Die Anwälte der Deutschen Bank unterstellten uns, mit Gewinninteresse gehandelt zu haben. Was für ein absurder Gedanke! Doch z.B. bei der Verhandlung meines Falles in München schienen sich die Richter dieser Auffassung anzuschließen. Seit mehr als zehn Jahren ziehen sich diese Verfahren nun hin, von kafkaesken Wendungen begleitet. Über die Beweggründe und Rationalität des Handelns der zuständigen Abteilungen der Deutschen Bank und des Landes MVP kann man sich nur wundern.

Dabei hätte das Land MVP im Rahmen seiner Haushaltsordnung die Möglichkeit, auf das Eintreiben der Bürgschaftsschuld zu verzichten. Stattdessen wurden kostspielige Gerichtsverfahren geführt. Derzeit warte ich auf eine Antwort des Landes Mecklenburg Vorpommern auf mein Angebot über die Zahlung einer Summe von 15.000 Euro als mein Angebot zur Bereinigung der Angelegenheit. Sollte dieses Angebot nicht angenommen werden, würde das den Privatkonkurs nach sich ziehen. Damit wäre dem Land aber genausowenig geholfen, denn das hieße, dass die Schuld uneintreibbar wird.

Wie können Sie helfen?

Falls Sie ebenso der Meinung sind, dass es sich hier um eine große Ungerechtigkeit handelt, und Sie die Vorgehensweise des Landes MVP kulturpolitisch bedenklich finden, so ersuche ich Sie, sich mit einer schriftlichen Anfrage an die Regierung MV zu wenden, entweder direkt an den Ministerpräsidenten, die Finanzministerin oder beide. Falls Sie dazu weiter Informationen wünschen, wie z.B. die betreffenden Adressen sowie die Vorlage eines Unterstützerbriefes, ersuche ich Sie mit mir in Kontakt zu treten: armin [at] easynet(punkt)co(punkt)uk


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